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Meister Johan Hadloub.jpg

Liederwerkstatt

Minnelieder stammen aus dem Mittelalter und sind Schriften wie dem Codex Manesse, auch bekannt als die Große Heidelberger Liederhandschrift, entnommen. Diese Lieder sind auf Mittelhochdeutsch verfasst und daher heute kaum mehr verständlich.

Das Ziel der Liederwerkstatt ist es deshalb, die „Message“ von damals auf Schweizerdeutsch verständlich zu machen – dabei soll die Form der Lieder so weit wie möglich erhalten bleiben, jedoch an die Hörgewohnheiten heutiger Zuhörer angepasst werden.

Hier beschreiben wir, wie wir methodisch vorgehen: Zunächst muss ein geeignetes Lied ausgewählt werden.

Miniatur aus dem Codex Manesse

Wahl des Liedes

Das Auswahlkriterium für die Minnelieder ist ihre nachgewiesene Herkunft aus einer der mittelalterlichen Handschriften sowie ihre Sangbarkeit. Das bedeutet, dass das Lied nicht zu lang sein sollte (ca. 3 Minuten), höchstens 3–4 Strophen umfassen darf und eine Reimstruktur aufweisen muss, die mit einer Melodie kombiniert werden kann.

Quelle: https://www.ldm-digital.de/

Im nächsten Schritt wird der mittelhochdeutsche Liedtext ins Schweizerdeutsche nachgedichtet.

Nachdichtung in 3 Schritten

  1. Übersetzung des mittelhochdeutschen Textes ins moderne Hochdeutsch, gefolgt von einer kreativen Nachdichtung auf Schweizerdeutsch.

  2. Inhaltskorrektur unter Berücksichtigung der semantischen Aspekte, basierend auf den Beschreibungen in Lyrik des deutschen Mittelalters (https://www.ldm-digital.de).

  3. Analyse des Reimmusters und Zählung der Silben. Da die Silbenanzahl der Originalverse innerhalb eines Liedes oft variiert, wird sie zur besseren Anpassung an das moderne Gehör – soweit möglich – auf einen Durchschnittswert des Originals normalisiert.

Nun liegt zwar der Liedtext vor, doch die Melodie fehlt noch. Da die meisten Minnelieder ohne Notation überliefert wurden, muss in einem nächsten Schritt eine passende Melodie aktiv gesucht oder neu komponiert werden.

Rudolf der Schreiber aus Codex Manesse
Jenaer Neumen - die Notenschrift des Mittelalters

Melodie

Eine passende Melodie wird durch Literaturstudium und Höranalysen ermittelt. Anschließend werden die Melodien mit Akkorden unterlegt. Abweichungen von der Originalmelodie werden dabei bewusst in Kauf genommen, um das moderne Gehör anzusprechen.

Quellen:

  • Troubadours – Trouvères. Minne- und Meistergesang von Friedrich Gennrich (Das Musikwerk. Eine Beispielsammlung zur Musikgeschichte, Heft 2, Arno Volk Verlag, Köln)

  • YouTube

Vertonung und Aufnahmen

Die Lieder werden schließlich im Heimstudio aufgenommen und mit synthetischen Instrumenten wie Flöte, Harfe und anderen kombiniert (Logic Pro X). Dabei wird versucht, im Sinne von Silvan Wagner [1] eine „Horizontverschmelzung“ zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen.

Anders gesagt: Die Minnelieder und ihre Inhalte sollen für moderne Menschen erlebbar und zugänglich gemacht werden.

 

[1] Fruchtbares Scheitern. Die Interpretation mittelalterlicher Musik als praktische Hermeneutik. Hollitzer Verlag, 2021. JSTOR, https://doi.org/10.2307/j.ctv1jpf64q. Accessed 14 June 2024

Frauenlob Spielleute aus dem Codex Manesse
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